Gedanken zum 3. Oktober

Anlässlich der Feierlichkeiten zu “30 Jahren deutscher Einheit” hat uns der Landesjugendring um ein Statement zu zwei Fragen gebeten. Das haben wir gerne abgegeben und wollen es hier für die Nachwelt festhalten. Außerdem wollen wir euch auf die Publikation “30 Jahre Ende der DDR” vom Bundesverband aufmerksam machen (steht leider noch nicht online, könnt ihr aber bei uns im Landesbüro bekommen).

Deutsche Einheit und Jugendpolitik – was verbindet Ihr mit diesem Thema?

Während in der DDR-Staatspolitik bis 1989 eine (konforme) Jugend als Zukunft und wichtige Ressource betrachtet wurde, gab’s ab 1990 keine Zukunft mehr, zumindest so empfunden im Osten. Mit den Biographiebrüchen der Elterngeneration wurde schlichtweg alles in Frage gestellt, von der Freizeit im Jugendklubhaus nebenan über die Berufsperspektive nur noch in den alten Ländern oder bei der Bundeswehr.

Die ersten Jahre waren geprägt vom Überstülpen des Fördergebahrens aus dem Westen. Zeitgleich kamen Verbände von dort, die die Kohle für ihren Zweck nutzen wollten. Es ging viel an den eigentlichen und täglichen Interessen der Jugendlichen vorbei. Mehr noch, die alten Strukturen aus der DDR verschwanden und hinterließen Lücken. Merkwürdige Ansätze wie die akzeptierende Jugendarbeit ermöglichten offen rechtsextreme Strukturen. Jugendarbeit ist im Osten seit 30 Jahren chronisch unterfinanziert.

Spätestens nach Rostock-Lichtenhagen machte sich das Bewusstsein breit, dass Jugendarbeit und vor allem Jugendverbandsarbeit, auch Bildungsarbeit sein muss. Gerade im Bereich Demokratie, Antirassismus und Antifaschismus. Es waren ebendiese Jugendverbände, die mit darauf gedrungen haben, diese Themen zum Beispiel im staatlichen Bildungssystem mehr zu forcieren. Gerade Jugendverbände waren der erste Motor für eine Demokratieerziehung unter jungen Menschen.

Was hat die Wende für die Jugendverbandsarbeit / für deine Arbeit gebracht?

Die Jugendarbeit der ersten Jahre in Mecklenburg-Vorpommern bestand aus purer Selbstorganisation von jungen Menschen. Parallel machten sich junge Menschen auf, die Welt zu entdecken. Die Jugend fuhr in den Westen und durch Europa. Entdeckungsreise und Freiheit!

Die Falken MV boten hier wie andere Jugendverbände eine Struktur und ein wichtiges Netzwerk, mit denen die neue Bewegungsfreiheit gelebt wurde. Fahrradtour nach Schweden mit 60 Leuten? Gedacht, getan, und einfach los! Städtereisen mit wenig Kohle? Überall gab es solidarische Falken oder Jusos, bei denen man unterkommen konnte. Mit sehr begrenzten Ressourcen und einer ordentlichen Portion Verrücktheit ließ sich Viel gestalten.

Leerstellen wurden zu Institutionen und langfristig wirkenden Strukturen, die heute die Interesse von Kindern und  Jugendlichen im Land vertreten. Die Freiheiten der ersten Jahre und der hohe Grad an Selbstorganisation prägten viele Menschen, die noch heute in der Zivilgesellschaft in Mecklenburg-Vorpommern und anderswo aktiv sind.

Freiheit(en), Verrücktheiten und Entdeckungsreisen sind wichtige Triebwerke der Jugendarbeit. Wir sollten sie uns stets erhalten und immer wieder neuen Generationen möglich machen!