Reisebericht Internationaler Jugendaustausch Barcelona

Barcelona – witzig, unglücklich, absurd, aufreibend, großartig

Ein Bericht von Thomas

„12:34 Uhr losfahren, muss das sein?“ Hab ich auf der Hinreise und auch in den Tagen davor irgendwie öfter gehört. Der Flug ging schließlich gegen neun aus Berlin. Dass ein bisschen Puffer sinnvoll ist, schien dann aber schon einzuleuchten. Zumindest bis die Deutsche Bahn dann wider Erwarten pünktlich war und wir in Berlin ca. 4 Stunden lang nichts zu tun hatten. „Musste das sein..?“ – naja, jetzt war es halt so. Am Ende hat der Securitycheck trotzdem lang genug gedauert, dass wir zum Gate joggen mussten.

Nächster Schock nach der Ankunft: Irgendwie war noch niemand da, um uns abzuholen. Und langsam waren auch die Verbindungen weg, die wir uns zur Unterkunft rausgesucht hatten. Plot twist: mit ca. einer dreiviertel Stunde Verspätung wurden wir dann abgeholt. Die beiden Catalenier*innen hatten den Flughafen nur bisher genauso wenig gesehen wie wir vorher und hatten sich auf dem Hinweg ein bisschen verirrt. Nach einigem U-Bahnfahren, schlechtem Imbissessen und ersten Erfahrungen mit den Öffis in Barcelona waren wir dann irgendwann in unserer Unterkunft in Rubí, nördlich der großen Stadt. Nachts um vier dann kurz das Haus zeigen lassen und ins Bett fallen.

Das Haus war so eine ganz eigene Sache. Es war sehr improvisiert, aber trotzdem liebenswürdig. Überall gab es Kleinigkeiten zu entdecken, wie liebevoll und kreativ bemalte Wände (und manchmal andere Dinge. Sofas zum Beispiel…) und überhaupt war es großartig, ein ganzes Haus für uns zu haben. Auf der anderen Seite schien es ein einziges Provisorium zu sein. Abgewaschen haben wir halt im Duschbecken, weil es im Spülbecken nur sehr heißes Wasser gab. Bretter waren auch eher Mangelware, oder scharfe Messer. Und woher kam

überhaupt die fehlende Ecke außen am Duschbecken? Adria, der uns durchs Haus geführt hatte, hatte damit nichts zu tun. Und es war keine Absicht. Er hatte halt mit Hammern jongliert und… läuft bei ihm.

Über die Tage danach ist dann ziemlich viel passiert. Unser erster Ausflug ging nach Can Masdeu, einer Kommune in den Bergen nördlich von Barcelona. Anfangs waren wir etwas überfordert, denn es war Tag der offenen Tür und wir wussten nicht so recht wohin mit uns. Aber es war großartig. Im Haus wohnten etwa 30 Menschen, die hauptsächlich von dem leben, was sie selbst (an-)bauen und verarbeiten. Der Lebensstil ist dabei aber keineswegs übertrieben primitiv. Es gibt eine große gut ausgestattete Werkstatt, selbstgebaute Solarduschen und -heizungen und das nächste Projekt ist eine eigene Brauerei. Wir wurden sogar von einem der Bewohner zum Tee eingeladen und bekamen eine kurze Führung durch das Projekt und seine Geschichte. Ich glaube, einige Menschen aus der Gruppe wären am liebsten da geblieben.

Über die Woche haben wir dann auch noch andere Projekte besucht, Ban Batllo, ein Projekt, das ein ganzes Fabrikgelände umfasst, und ein besetztes Jugendzentrum in San Cugat. Außerdem haben wir uns zwei alternative Stadtrundgänge angeschaut, zum spanischen Bürgerkrieg und zur queeren Geschichte von Barcelona. Die Themenkomplexe rund um den spanischen Bürgerkrieg, Francofaschismus, Widerstand und Anarchismus, sowie linkes und alternatives Leben in Barcelona heute, haben uns über die ganze Woche begleitet, mal theoretisch, mal praktisch. Auf eigene Faust die Stadt erkunden, den Strand besuchen, Skatern vor dem Museum der modernen Kunst beim Gesetze brechen zugucken (Skaten im öffentlichen Raum ist dort bis auf Ausnahmen illegal…), eigentlich haben wir ziemlich viel gemacht, nur nicht den klassischen Tourikram. Und wir haben jede Menge spannende Menschen kennengelernt und wiedergesehen. Eigentlich ist es zu viel, um es in einem kurzen Bericht wiederzugeben und irgendwie fand auch jede*r was anderes interessant. Aber es war auf jeden Fall aufregend und intensiv.

Am Freitag hatten wir dann ein Geburtstagskind unter uns, das auch noch 18 Jahre alt wurde! Also haben wir am Donnerstag reingefeiert. Am Freitag zu feiern schien uns doch ein bisschen riskant, mussten wir doch Samstag früh pünktlich am Flughafen sein. Die Party war witzig, wir hatten viel Besuch von den Menschen aus dem Haus. Am Freitag war auch bis auf Aufräumen die Rückreise zu besprechen nicht mehr so viel geplant.

Wir hatten uns dazu entschieden, die Nacht von Freitag auf Samstag nicht mehr in Rubí zu verbringen, sondern in Barcelona. Wir hätten ansonsten eh etwa um drei Uhr morgens aufstehen müssen. Also auf in die große Stadt, ein letztes mal und diesmal sogar bei Nacht. Ein paar Menschen wollten nochmal in diesen anarchistischen Buchladen rein, den sie davor verpasst hatten. Andere wollten gleich was essen. Außerdem lockten Bars, ein Club, der uns von unseren catalanischen Bekannten empfohlen wurde und der Strand bei Nacht.

Und dann… wurde mir mein Rucksack geklaut, samt meinen Personalien und der Gruppenkasse. Autsch. Naja, die Rückflugtickets hatten wir als PDFs auf klugen Telefonen, trotzdem verbrachte dann die Hälfte der Gruppe die nächsten knapp zwei Stunden auf der Polizeiwache, um den Verlust anzuzeigen und so zumindest sicherzustellen, dass ich auch ohne Perso ins Flugzeug kommen würde und um zu erfahren, dass die Polizei auch in Spanien nicht witziger ist als in Deutschland. Oh und im Rucksack waren leider auch die Schlüssel für die Schließfächer am Bahnhof mit unserem „großen“ Gepäck. Ähm. Und jetzt? Ein klärender Besuch von zwei Genoss*innen am Bahnhof brachte uns zumindest die Info, dass nichts ausgeräumt wurde und wir an die Fächer kommen konnten, wenn wir beschreiben könnten, was drin ist.

Irgendwie war der Abend damit erstmal gelaufen. Feiern wollte so recht niemand mehr. Also sind wir dann zum Strand aufgebrochen, stimmungsmäßig zwischen Erschöpfung, Galgenhumor, Frust und Belustigung darüber, wie absurd der vergangene Tag eigentlich war. Und irgendwie wurde es dann doch noch nett – eine Nacht am Strand unter Sternenhimmel, der trotz Stadt zu sehen war, mit den Menschen, die einem über die letzte Woche so ans Herz gewachsen sind, als ruhiger Ausklang der Reise.

Die Rückreise war dann auch wieder merkwürdig. Irgendwie wurde unsere Gruppe immer kleiner. Mein Co-Teamer war bereits am Freitag geflogen, doch das Seminar, zu dem er ursprünglich am Samstag musste, war ausgefallen, er konnte den Flug jedoch nicht mehr umbuchen. Und ein Mensch nahm geplanterweise einen anderen Flug. Am Flughafen in Barcelona trennten sich also einige Wege. Nicht jedoch ohne vorher beim Check-In von der Angestellten angemotzt zu werden, was denn mit mir/uns verkehrt wäre („What is wrong with you this morning?!“). Naja, ich hatte es mir so richtig nicht ausgesucht, jetzt kein Handgepäck mehr zu haben, in dem ich meine elektronischen Geräte stecken konnte, die ins große Gepäck nicht mehr reinpassten. Irgendwie war die Rückfahrt aber ein bisschen in Watte gepackt vor lauter Müdigkeit. Ab hier verlief sie dann auch ziemlich Reibungslos. Zur Abwechslung.

Jetzt ist die Fahrt vorbei. Sie war witzig, unglücklich, absurd, aufreibend und großartig.

Im Nachhinein hätte ich die Fahrt gerne tiefer mit den anderen ausgewertet. Was nehmen wir mit? Was haben wir gelernt? Was bedeutet das für unseren Alltag und unsere politische Praxis? Diese Fragen würde ich eigentlich gerne nicht nur mit mir allein klären. Naja, gelernt fürs nächste mal. Wie so viele andere Dinge auch.

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