Wir demonstrieren – Aber wie eigentlich und was darf man dabei?

Am 5. Mai hatten wir bei der online-Infoveranstaltung das Thema Demo 1×1. Wir wollen euch eine kleine Zusammenfassung der wichtigsten Fragen zur Verfügung stellen.

Als Falken und politisch denkende Leute gehen wir zu verschiedenen Gelegenheiten auf die Straße: Am 1. Mai ein paar Nazis blockieren, laut sein am Frauenkampftag und zum Pride am Christopher-Street-Day oder am IDAHOBIT (Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Trans*feindlichkeit)*.

Doch was darf man eigentlich auf Demos? Und was darf die Polizei**? Ein paar Antworten auf häufig gestellte Fragen…

1. Wann ist eine Demo legal?

Demonstrationen sind vom Grundgesetz geschützt. Das bedeutet, sie haben im deutschen Rechtssystem einen sehr hohen Stellenwert. Der Staat muss deswegen versuchen jede Demo möglich zu machen.

Geschützt sind Demos, die friedlich sind. Eine Menschenansammlung ist dann eine Demo, wenn sich mehr als 2 Menschen zusammentun und mit ihrer Versammlung zur Meinungsbildung (entweder untereinander oder nach außen hin) beitragen wollen.

Eine Demo muss allerdings angemeldet werden, d.h. jemand muss sich mit seinem*ihrem Namen verantwortlich zeichnen. Es lohnt sich, sich vorab ein wenig in das Versammlungsrecht einzulesen. Hierfür gibt es zB den Ratgeber von Mobit e.V.. Um eine Demo anzumelden, wendet ihr euch an das örtliche Ordnungsamt. Bei vielen gibt es Formulare dafür online. 48 Stunden nach eurer Anmeldung könnt ihr mit der Bewerbung der Demo beginnen.

2. Darf man ohne Anmeldung spontan demonstrieren?

Ja, allerdings sollte es wirklich spontan sein. Wenn man sich die Demo schon vier Wochen vorher überlegt hat und Polizist*innen, die vorbeikommen, das merken (z.B. weil man das raffinierteste schönste Transpi der Welt für genau diesen Anlass vorbereitet hat), kann die Person, die die Sponti leitet, Ärger bekommen. Friedlich muss auch eine Sponti sein, sonst darf die Polizei sie beenden.

3. Anti, anti! – Sind Blockaden legale Demos?

Nazis haben auch ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Dumm nur, dass sie so ihre menschenverachtenden Weltbilder verbreiten können. In den vergangenen Jahren wurden öfter mal Blockaden von Nazi-Demos ausgerufen, um genau das zu verhindern.

Diese Blockaden sind erstmal auch Versammlungen, natürlich spontane. Das heißt, die Polizist*innen müssen erstmal gucken, ob sie eine*n Leiter*in finden und zwischen den Rechten der Nazis und der Blockierenden abwägen (denn auch als Gegendemonstrant*in hat man ein Recht auf freie Meinungsäußerung). Danach müssen die Polizist*innen „ordnungsgemäß räumen“, also Leuten die Möglichkeit geben freiwillig wegzugehen und dann wegtragen.

In MV ist der Stil meistens nicht mehr räumen, sondern: Nazis außenrum laufen lassen. Du sitzt z.B. mit 10 Freund*innen auf der Straße vor dem braunen Pack – die Polizist*innen machen eine Kette um euch – das Pack läuft an euch vorbei. Ganz schön gruselig.

Wenn ihr eine Nazidemo mit eurer Blockade wirklich effektiv daran hindert ihre Demo zu laufen, könnte es sein, dass ihr eine Anzeige bekommt wegen einer „Verhinderungsblockade“, möglicherweise auch wegen Nötigung.

Was wenn ich eine Anzeige bekomme?

Erstmal: Keine Panik! Anzeige heißt nicht gleich Strafe heißt nicht gleich Verurteilung. Erstmal bekommst du die Anzeige. Dann wahrscheinlich irgendwann einen Brief mit einer Anhörung oder Vorladung. Spätestens dann solltest du dich bei einer Rechtsberatung melden. Im Kontext von Demos und Aktionen helfen da zum Beispiel die Rote Hilfe Greifswald, die Rote Hilfe Rostock oder die SchwarzRote Hilfe. Sie erklären dir alles Weitere und können Anwält*innen vermitteln, die sich mit Anzeigen rund um Demos auskennen.

Achte auf dich und deine Freund*innen. Anzeigen nerven. Sie beschäftigen gedanklich und binden Kapazitäten. Also unterstützt euch dabei. Lasst Freund*innen und Genoss*innen nicht alleine beim Infos-sammeln und redet miteinander über eure Sorgen.

4. Anonym zur Demo – aber Hallo!

Man hat das Recht anonym zu demonstrieren. Das bedeutet vor allem zwei Dinge: die Polizist*innen dürfen nicht einfach alle Ausweise von allen Demoteilnehmenden kontrollieren. Und sie dürfen nicht einfach frei Schnauze die Demo abfilmen.

In manchen Fällen dürfen sie es allerdings doch: Wenn sie den konkreten Verdacht haben, dass jemand Waffen bei sich hat oder eine Straftat begangen hat oder begehen will. Das sollten sie dann begründen können.

Filmen dürfen sie auch, wenn sie den Eindruck haben, die Demo wird unfriedlich. Das könnte zum Beispiel sein, wenn der Großteil der Demo anfängt sich zu vermummen.

Ist jede Vermummung unfriedlich?

Manche Leute vermummen sich zum Selbstschutz. Wenn ein Haufen Nazis an dir vorbeiläuft, der möglicherweise in derselben Stadt wohnt wie du, willst du vielleicht nicht, dass sie dein Gesicht abfotografieren. In einigen Bundesländern gibt es Gerichtsurteile, dass man das Recht hat sich zu schützen. In MV gibt es dazu leider noch nichts Eindeutiges.

5. Was nehm ich mit? Was lass ich zu Hause?

Do‘s:

Dont‘s:

6. Worauf muss ich achten, wenn ich minderjährig bin?

Grundsätzlich können Minderjährige an Demos teilnehmen. Nervig wird es dann allerdings, wenn man z.B. nach einer Blockade gekesselt wird und die Polizist*innen zu Hause anrufen.

Tip für Demos: Nehmt euch nen Mutti/Vati/Aufsichtsperson-Zettel mit und eine volljährige Begleitperson. Dann wissen eure Eltern Bescheid, wo ihr seid und können auch souverän auf einen Anruf von einem*einer Polizist*in reagieren.

7. Was, wenn Polizist*innen was Illegales machen?

Im Rechtsstaat kann man das Handeln der Polizist*innen immer überprüfen lassen. Kürzlich gewann eine Antifaschistin vor dem Gericht in Stralsund, weil sie mit Dutzenden Anderen am 1. Mai über mehrere Stunden in einem Kessel festgehalten wurde. Es gibt, je nachdem, was Polizist*innen falsch gemacht haben, verschiedene Wege dafür: Widersprüche, Feststellungklagen, Anzeigen. Was davon in welchem Moment sinnvoll ist, solltest du mit einer*m Anwält*in oder der Rechtshilfegruppe deines Vertrauens besprechen (Rote Hilfe oder Schwarz Rote Hilfe).

Der Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen Greifswald macht bei vielen Demos in MV Demobeobachtung. Wenn ihr vermehrt unangemessenes Verhalten von Polizist*innen beobachtet, gebt die Info an die Demobeobachtung.

8. Demo in Corona-Times – Was ist zu beachten?

Die gängigen Auflagen für Demos („Versammlungen unter freiem Himmel“) findest du in §8 der Corona-Schutz-Verordnung MV. Es dürfen bis zu 50 Leute demonstrieren (mehr nur mit Ausnahmegenehmigung) und auch nicht als sich bewegender Demozug, sondern als Kundgebungen. Alle sollen Mundnasenschutz tragen (Vermummungspflicht!) und 1,5 Meter Abstand zueinander halten.

Außerdem müssen die Versammlungsleiter*innen eine Teilnehmendenliste führen. Diese geht NICHT an die Polizist*innen. Sie wird von dem*der Versammlungsleiter*in vier Wochen aufgehoben. Im Falle einer Corona-Infektion wird sie dem zuständigen Gesundheitsamt zur Verfügung gestellt, damit sie die Infektionskette nachvollziehen und möglicherweise weitere Infizierte anschreiben können.

9. Am 8. Mai in Demmin: Was ist los da?

Alle Updates zur Demo findet ihr auf der Seite von Demmin Nazifrei. Ökohaus Rostock bietet zudem am 7.5. um 19 Uhr eine Infoveranstaltung dazu online an.

10. Und nach der Demo?

Erstmal runterkommen. Schöne Momente und Erfolge mit Freund*innen teilen, den Tag auswerten, besprechen wie‘s dir geht.

Wenn es dir nicht gut geht, weil du was Blödes oder im schlimmsten Fall sogar Gewalt erlebt hast, besprich das mit Leuten, denen du vertraust. Wenn du vor, während oder nach einer Demo Gewalt durch Nazis erlebt hast, wende dich an LOBBI MV.

* Wir gendern mit einem *, um zu zeigen, dass es mehr als zwei Geschlechtsidentitäten gibt. Die Einteilung der Welt in „Mann und Frau“ ist längst überholt. Das Sternchen symbolisiert die Hundderttausenden Geschlechter, die eine kraftvolle linke Bewegung ausmachen.
** Wir schreiben im Rest des Artikels von Polizist*innen, nicht von Polizei. Vor euch stehen Menschen – keine anonyme unhinterfragbare Autorität. Manche machen ihren Job gut, andere schlecht. Manche mögen keine Linken, Manche sehen den Polizeiapparat kritisch, andere sind bei Nordkreuz am Start, einige sind vielleicht eure Cousins oder Tanten. Habt nur auf dem Schirm: Bei einer Demo stehen euch Polizist*innen in ihrer beruflichen Rolle gegenüber. Quatscht entsprechend nicht zu viel und fordert korrektes Verhalten von ihnen euch gegenüber ein.

Vielen Dank für das Titelbild an Bildwerk Rostock (flickr). Bild vom 8. Mai in Demmin 2018.